Immobilienmarkt: Vielfältige Krisen und Zinsanstieg
6. GA-Immobilienforum in Bonn: Bauträger und Bankkaufleute in Sorge
Bonn · Die Stimmung auf dem Immobilienmarkt leidet unter einer Reihe von Widrigkeiten wie den hohen Zinsen und Unsicherheiten bei energetischen Anforderungen an Bestandsbauten. Das wurde beim 6. GA-Forum Immobilien in den Design Offices auf dem Neuen Kanzlerplatz deutlich.
Blick aus den Design Offices auf dem Neuen Kanzlerplatz über Bonn.
FOTO: SASCHA STIENEN
Wie ist die Stimmung auf dem Immobilienmarkt? Ein Gradmesser dafür war erst kürzlich der Kongress samt Mitgliederversammlung des Immobilienverbandes IVD West im Hotel Kameha am Beueler Bogen. Die Gemütslage unter den rund 500 Vertretern aus der Immobilienwirtschaft hatte Peter Wallisch, 1. Stellvertretender Vorsitzender des IVD West, so auf den Punkt gebracht: „Seit der durch vielfältige Krisen und den Zinsanstieg verursachten Trendwende am Immobilienmarkt Mitte letzten Jahres berichten alle Makler von großer Zurückhaltung auf Käuferseite und von deutlich gestiegener Vermarktungsdauer.“ Zudem seien ganze Interessentenschichten weggefallen: „Nämlich diejenigen, die bei niedrigen Zinsen einen Immobilienkauf noch hätten finanzieren können, sich diesen jetzt aber schlicht nicht mehr leisten können“, so Peter Wallisch.
Henning Dieke (Cloudberry Real Estate GmbH) kann die Einschätzung des IVD nur bestätigen. Er geht sogar noch Schritt weiter: einen „Die Stimmung bei den Bauträgern, die wir betreuen, oder auf Fachmessen ist seit September katastrophal: Es gibt viele Firmen, die Mitarbeiter entlassen oder Kurzarbeit einführen mussten“, so der Kölner Immobilienmakler, der auch in der Bonner Region viele Bauvorhaben vermarktet: „Es gab Einbrüche von 40 bis 50 Prozent und Insolvenzen größerer Firmen. Daher sind Bauträger und Makler in Sorge.“
Wie es zu der Situation gekommen ist, kann Dieke erklären: „Letzten Sommer war die Nachfrage für alle Projekte auf einem riesigen Level.“ Dann seien plötzlich die monatlichen Raten bei Kaufimmobilien erheblich gestiegen: „Wer zuvor 1000 Euro monatlich gezahlt hatte, wurde nun mit 2500 Euro zur Kasse gebeten.“ Für viele Verbraucher seien solche Belastungen nicht mehr zu schultern gewesen. Nicht von ungefähr hätten darum im Herbst viele Verbraucher eine höchst negative Erfahrung gemacht: „Sie haben von ihrer Bank keine Finanzierung mehr bekommen oder diese war schlicht zu teuer.“ Die Entwicklung bekam auch Diekes Unternehmen zu spüren: „Wir hatten im September und Oktober das niedrigste Niveau bei Anfragen für Projekte, die ich in 23 Jahren erlebt habe. Das war wirklich besorgniserregend.“
,,Wir hatten im September und Oktober das niedrigste Niveau bei Anfragen für Projekte, die ich in 23 Jahren erlebt habe. Das war wirklich besorgniserregend“
Henning Dieke, Cloudberry Real Estate GmbH
Verschärft habe die Situation auch noch die Zuspitzung der Energiekrise: „Da hatte plötzlich jeder nur noch den Gasspeicherfüllstand im Kopf-so wie vorher die Corona-Inzidenzen“, betont Henning Dieke. „Interessenten von laufenden Projekten fragten sogar bei uns, ob die Bauträger es überhaupt schaffen, diese zu Ende zu bauen.“ Auch Werbemaßnahmen griffen plötzlich nicht mehr. ,,Der Neubau-Newsletter, der sonst 80 Anfragen erzeugte, generierte plötzlich nur noch drei Anfragen.“ Dieke verweist auf einen weiteren Indikator für die Krise: „Vor einem Jahr hat es vom Kennenlernen des Kunden bis zum Notartermin sechs Wochen gedauert. Mittlerweile sind wir bei einem Zeitraum von 17 Wochen.“ Banken hätten sich dabei allerdings auch teils selbst im Weg gestanden. „Viele Institute wussten nicht mehr, wie sie mit der Tilgung umgehen sollen“, sagt Dieke. „Manche Bank brauchte für die Entscheidung, die Tilgung nach unten zu setzen, ein ganzes Jahr.“ Das habe auch dazu geführt, dass Kunden, die im Dezember bereits »ja“ gesagt, und dabei über erhebliches Eigenkapital verfügt hätten, erst im April kaufen konnten: „Die Banken haben einfach zu lange gebraucht.“
Seit März registriert Diekes wieder eine Unternehmen stark steigende Zahl an Kaufverträgen. „Bei einer Rohbaubesichtigung haben wir jetzt erstmals seit längerer Zeit wieder 120 Interessierte auf der Baustelle gezählt.“ Unterm Strich hat die Krise ausgelöst von Zinserhöhungen, Ukrainekrieg und drastisch gestiegenen Energiepreisen länger gedauert als alle anderen, die wir in den letzten Jahren hatten“, so der Neubau-Experte. „Krieg ist etwas so Fundamentales, begleitet von den Zinserhöhungen, dass der Schock einfach ganz dominant war.“
Etwas differenzierter beurteilt Michael Carl (Volksbank Köln Bonn eG) die gegenwärtige Marktsituation für das Kerngeschäft seiner Abteilung, den Bestandsimmobilien bei Ein- und Zwei-Familien-Häusern: „Die Stimmung ist weiterhin gut, und Verbraucher möchten unverändert Eigentum erwerben.“ Allerdings registriert auch der Kaufmann in der Grundstücks- und Wohnungswirtschaft, dass die Nachfrage sehr zurückhaltend ist: „Das liegt vor allem daran, dass die Preise für manche Käuferschichten eben nicht mehr zu bezahlen sind.“ Bei einer weitergehenden Analyse rät er zu unterscheiden zwischen Käufern im Privatsegment, die Wohnimmobilien erwerben möchten, und Käufern, die Immobilien als Investment betrachten. Folgender Trend ist dabei aus seiner Sicht auffallend: „Potenzielle Interessenten, die sich den Kauf einer Immobilie prinzipiell erlauben könnten, kaufen bestimme Dauerbrenner auf dem Markt aber nicht mehr so einfach.“
Carl nennt ein Beispiel: Ein 400 000 Euro teures Reihenmittelhaus in Bonn-Pützchen, das aus den 60er Jahren stammt und modernisierungsbedürftig ist, kommt für die Zielgruppe mit Kapital kaum noch in Frage.“ Denn diese stelle sich mittlerweile etwas Großzügigeres und Moderneres vor. Dagegen sei ein solches Reihenmittelhaus für Verbraucher, die jetzt angesichts gestiegener Zinsen rechnen müssen, mehr nicht erschwinglich, „Die Investoren unter unseren Kunden sind in der Mehrzahl bedient und haben sich ein gutes Polster aufgebaut“, führt Volksbank-Experte Carl aus. Der Kaufdruck sei nicht mehr so hoch, weil sich derweil auch wieder sehr gute Alternativprodukte anbieten würden: „Es gibt ja auch wieder Zinsen aufs Geld.“ Genau aus diesem Grund dränge jetzt auch eine Verkäufergruppe auf den Markt, die sich bislang nicht zu einem Verkauf ihrer Immobilie hätte durchringen können: „Diese Gruppe hatte eine entsprechend gewinnbringende Anlagemöglichkeit für ihr Geld aus dem Verkauf vermisst.“ Genau diese Verkäufer wollten jetzt aber genau den Preis für ihre Immobilie erzielen, „den wir vor einigen Jahren bei der Bewertung ermittelt hatten“, erklärt Carl: „Das beißt sich mit den Käufervorstellungen.“ In der Konsequenz bedeute das jetzt, dass es wieder mehr Objekte und deutlich mehr Verhandlungsmasse auf dem Markt gebe. Carl sieht die Makler daher wieder viel stärker in den Fokus gerückt: „Es ist noch nicht lange her, da standen für eine Immobilie zehn Käufer parat. Das ist jetzt nicht mehr SO.“
Dass vor allem die Finanzierung von Immobilien angesichts einer geänderten Zinslandschaft für viele Verbraucher zum Problem geworden ist, kann Bernd Meier (Hüttig & Rompf) nur bestätigen: „Es ist derzeit nur schwer möglich, ohne eine Eigenkapitalquote von 20 Prozent plus Kaufnebenkosten eine Immobilie zu erwerben.“ Zudem hätten viele Banken sehr lange gebraucht, um ihre Anfangstilgung von zwei Prozent auf ein Prozent zu senken: „Wir haben nach wie vor Institute, die auf zwei oder 1,5 Prozent Tilgung bestehen.“
Aus seiner Sicht steuere man auf ein gesellschaftliches Problem zu: „Das Interesse an einem Immobilienkauf ist nach wie vor sehr groß, aber wir schließen einen großen Teil der Menschen aus.“ Daher müsse man sich nun insbesondere auch in der Immobilienwirtschaft Gedanken machen, „welche Produkte wir anbieten, und wie man wieder Sicherheit in den Markt bringen kann.“ Denn viel Verunsicherung gebe es gerade im Bereich der Bestandsimmobilien und viel Unklarheit auf Verbraucherseite, welche energetischen Maßnahmen durchgeführt werden müssen.
,,Es ist noch nicht lange her, da standen für eine Immobilie zehn Käufer parat. Das ist jetzt nicht mehr so“
Michael Carl, Volksbank Köln Bonn eG
Bei der PSD Bank West eG ist die Nachfrage im Kreditgeschäft nach wie vor stabil, berichtet Vorstandsvorsitzender René Königshausen. „Wir entwickeln uns da gerade gegen den Trend.“ Das liege aber auch daran, dass die Genossenschaftsbank sich in den letzten Jahren eine solide und von gegenseitigem Vertrauen geprägte Kundenbasis aufgebaut habe. „Dennoch ist es so, dass wir im Teilbereich der Neubau-Finanzierungen einen Rückgang feststellen. Wenn Immobilien finanziert werden, dann sind es aktuell insbesondere bereits bestehende Immobilien.“ Aufgrund der – seit Mitte des letzten Jahres-schrittweise durchgeführten EZB-Leitzinserhöhungen, stiegen die Zinssätze für Immobilienkredite merklich an, mitunter um drei Prozent. „Bei Gesprächen mit unseren Kunden und dem Blick auf die generelle Marktentwicklung stellen wir fest, dass die Preise für Wohnimmobilien gesunken sind, selbst in der hochpreisigen Metropolregion Köln/Bonn. Denn vor dem Hintergrund gestiegener Zinsen können sogar dort allzu hohe Kaufpreise-welche noch vor einem Dreivierteljahr wie selbstverständlich aufgerufen werden konnten – nicht mehr gehalten werden. Dennoch: Oftmals reicht der reduzierte Kaufpreis nicht aus, um die gestiegenen Zinssätze adäquat aufzufangen. Mit der Folge, dass die Anschaffung von privatem Wohneigentum in den letzten Monaten insgesamt rückläufig war.“
Königshausen berichtete zudem von Bedenken im Neubau-Finanzierungsbereich: „Viele Kunden haben Sorgen, dass der Nachfinanzierungsbedarf zu groß werden könnte, wenn die Produkte knapp werden und die Preise weiter steigen. Die Verfügbarkeit von Material und Handwerkern ist immer noch ein Problem.“