Die Preisangebote in Bonn bewegen sich anhaltend auf hohem Niveau.

Bonner Immobilienmarkt: Nachfrage sinkt, Preisniveau aber (noch) nicht

Bonn · Steigende Zinsen und höhere Baukosten schlagen durch: Die Immobilienkäufer halten sich merklich zurück, laut Grundstücksmarktbericht entwickelt sich der Bonner Immobilienmarkt rückläufig. An den aufgerufenen Preisen ist dieser Trend allerdings (noch) nicht deutlich abzulesen.

Begehrte Wohnlage: Blick vom Stadthaus-Plateau auf die Bonner Altstadt.

FOTO: SASCHA STIENEN

 Freistehende repräsentative Villa im Herzen des Villenviertels, 15 F Zimmer, 508 Quadratmeter Fläche und 814 Quadratmeter Grundstück: Das Objekt soll rund drei Millionen Euro kosten. Nächstes Angebot: Freistehendes Architektenhaus in Bonn/Gronau mit parkähnlichem Grundstück, laut Offerte ideal für Kapitalanleger, als Preis sind 2,5 Millionen Euro angegeben. Das sind zwei der teuersten Angebote für Häuser in Bonn, die Ende Mai dieses Jahres auf dem Portal Immoscout24.de zu finden waren. Zum Vergleich: Das günstigste Objekt wird für rund 160 000 Euro gehandelt – ein renovierungsbedürftiges Häuschen mit einer Fläche von 60 Quadratmetern und 79 Quadratmetern Grundstück.

Egal, ob am oberen oder am unteren Rand: Die Preisangebote in der Bundesstadt Bonn bewegen sich anhaltend auf hohem Niveau. Und dennoch: Der Markt hat sich im Vergleich zu den Vorjahren verändert. Das zeigt der aktuelle Grundstücksmarktbericht, den der unabhängige Gutachterausschuss Ende März 2023 veröffentlicht hat.

 

Gutachterausschuss wertet die Daten von Notaren aus

Im Gutachterausschuss sitzen rund 30 Mitglieder – Makler, Bauunternehmer, Juristen, Immobiliensachverständige oder Vermessungsingenieure sowie Vertreter der Finanzämter als besondere Mitglieder. Die Experten werten die Daten aller Notarverträge des Vorjahres aus, die ihnen automatisch zugeschickt werden. Am Ende steht ein jährlicher Bericht, in dem sowohl die gezahlten Preise für unbebaute Grundstücke als auch für Häuser und Wohnungen veröffentlich sind. Interessierte finden den Bericht im Internet unter https://www.bonn.de/medien-global/amt-62/grundstuecksmarktberichte/GMB-2023.pdf . Die jeweiligen Bodenrichtwerte für unbebaute Grundstücke lassen sich über die Internetseite www.boris-nrw.de ermitteln.

 

Deutliche Kaufzurückhaltung zu beobachten

Wie konkret stellt sich die Situation in Bonn im Einzelnen dar – was kennzeichnet die Entwicklung? Annette Lombard beobachtet als Vorsitzende des Gutachterausschusses für Grundstückswerte und als stellvertretende Vorsitzende des Gutachterausschusses Köln und Rhein-Sieg-Kreis seit Jahren den Immobilienmarkt in Bonn und in der Region. Die Expertin sagte beim GA-Immobilienforum: „Wir haben einen deutlichen Rückgang bei den Fallzahlen festgestellt, wir registrieren also eine deutliche Kaufzurückhaltung.“ Insgesamt gab es 19 Prozent weniger Abschlüsse als zuvor. „Lagen bei uns in anderen Jahren in der Regel rund 3000 Kaufverträge auf dem Tisch, waren es in 2022 nur 2400“, so Lombard. Parallel sank der Umsatz deutlich um satte 32 Prozent.

Und sie befürchtet, dass sich dieser Trend weiter fortsetzen könnte: „Wir sind etwas besorgt“, so Annette Lombard. Die Prognose lässt sich zum einen mit der Verunsicherung der Interessenten aufgrund des Ukraine-Krieges erklären. Zum anderen aber sind die Finanzierungszinsen in den vergangenen Monaten stetig gestiegen – wobei ein Ende noch nicht in Sicht ist.

Außerdem scheuen sich momentan viele Käufer, in eine Bestandsimmobilie zu investieren. Die Skepsis ist besonders bei unrenovierten Häusern oder Wohnungen groß. Man wartet lieber ab, weil die Regierung weitere und bessere energetische Förderungen angekündigt hat. ,,Außerdem ist bekannt, dass Handwerksunternehmen und Baubetriebe für Renovierungen teilweise mehrere Monate Wartezeit haben“, sagt Lombard.

 

„Wir haben einen deutlichen Rückgang bei den Fallzahlen festgestellt, wir registrieren also eine deutliche Kaufzurückhaltung“

Annette Lombard, Vorsitzende des Gutachterausschusses für Grundstückswerte

Der Immobilienmarkt ist also im Umbruch – was sich auch in der Preisentwicklung widerspiegelt. „Wir haben hier allerdings ein differenziertes Bild“, sagt Lombard. Beim individuellen Wohnungsbau lässt sich eine leichte Tendenz nach oben bei den Grundstücken von im Schnitt rund 5 Prozent ablesen. „Wir verzeichnen von Jahr zu Jahr stetig weniger Kauffälle, die wir für unsere Untersuchungen heranziehen können. Aber aus diesen Kaufzahlen für das Jahr 2022 haben wir eine leichte Preissteigerung bei Grundstücken für Ein- und Zweifamilienhäuser festgestellt“, so Lombard. Zum Vergleich: „Wir hatten zuletzt in der Zeit niedriger Zinsen aber auch schon Jahre mit Steigerungen von 20 bis 25 Prozent“, sagt Lombard.

Ähnlich sieht es bei Eigentumswohnungen aus, sie kosteten im Jahr 2022 im Mittel 7,8 Prozent mehr als im Vorjahr. Lediglich der Mietwohnungsbau koppelt sich ab, dort stagnieren die Preise momentan sogar.

Ein ebenfalls inhomogenes Bild ergibt sich für das Jahr 2022 bei Ein-, Zwei- oder Mehrfamilienhäusern im Bestand: So lag der durchschnittliche Kaufpreis pro Quadratmeter für ein freistehendes Haus (350 – 800 Quadratmeter Grundstückfläche) aus den Baujahren 1975bis 2020 bei rund 5000 Euro pro Quadratmeter. Bei einem Reihenhaus (150 – 300 Quadratmeter Grundstückfläche) lag der Wert rund 1000 Euro darunter.

Für eine Doppelhaushälfte (250 – 500 Quadratmeter Grundstücksfläche) in diesem Alter zahlt man rund 4342 Euro pro Quadratmeter. Aber: Richtig teuer – das zeigen auch die Offerten des Portals Immoscout24.de – wird es bei der freistehenden Villa, von der viele Immobilienfans träumen: Sie kostet laut dem Bonner Grundstücksmarktbericht 2023 mehr als 6000 Euro pro Quadratmeter, während die Käufer für ein schönes Gründerzeithaus in Reihenbauweise etwa 5000 Euro pro Quadratmeter kalkulieren müssen. Weil Bestandsobjekte nicht normiert werden können, verzichten die Gutachter hier auf die Angabe prozentualer Preisentwicklungen.

 

Was ist für die Zukunft zu erwarten?

Im ersten Quartal, so beobachtet der Gutachterausschuss, sind die Fallzahlen wiederum gesunken –  vermutlich, weil Bauzinsen und Baukosten auch in 2023 tendenziell weiter steigen. „Unsere Bauunternehmer im Gutachterausschuss beklagen überdies, dass sich die Baukosten schwer kalkulieren lassen“, so Lombard. Das alles sind Handicaps, und Prognosen sind entsprechend schwierig. Doch da sich die Rahmendaten in diesem Jahr gegenüber dem letzten Quartal des Vorjahres bis jetzt nicht wirklich verändert haben, dürfte sich die Entwicklung fortsetzen: weniger Kaufabschlüsse zu tendenziell niedrigeren Preisen.